Während Bund und Länder laufend neue Lockerungen der Corona-Maßnahmen beschließen, sehnen sich viele Menschen nach Normalität. Trotzdem bleibt auch klar: Für die Wirtschaft wird es so schnell wohl keine Normalität geben. Nachrichten von Kurzarbeit und Rezession, Finanzhilfen und Kaufprämien sind in aller Munde. Wie geht es bei diesem Trubel eigentlich der Landwirtschaft?
Der Ernährungsrat Leipzig e.V. hat in den letzten Wochen mit fünf ganz unterschiedlichen Landwirtschaftsbetrieben aus der Region gesprochen und sie zu ihrem Umgang mit der Pandemie befragt. Welche Sorgen haben sie und welche Unterstützung gibt es? Ist unsere Lebensmittelversorgung gesichert? Und was können wir gerade für die Zukunft lernen?
Jetzt, da der deutsche Spargel trotz der Einreiseprobleme ausländischer Erntehelfer seinen Weg in die Supermarktregale gefunden hat, scheinen diese Fragen wieder stärker ins Hintertreffen zu geraten. Umso wichtiger ist es, den Dialog über eine zukunftsfähige Landwirtschaft und „Gutes Essen für alle!“ nicht abreißen zu lassen.
Kleine Schiffe und große Dampfer
Unsere Gespräche begannen wir dabei immer mit der gleichen Frage: Wie sind Sie von der Corona-Pandemie betroffen? Dirk Barthel, Chef des Biohof Barthel in Greudnitz nahe der Dübener Heide hatte darauf eine überraschende Antwort. „Überhaupt nicht.“ Mit seiner Mutterkuhherde, einer Rinderzucht mit eigener Schlachtung und Saatgutvermehrung habe er seinen Betrieb auf verschiedene Beine gestellt. Dies gebe gerade jetzt Stabilität.
Die hygienischen Vorschriften in seiner Schlachtung seien außerdem schon immer sehr hoch gewesen und zudem läge der Betrieb in einer ländlichen, einsamen Gegend. Barthel vermarktet seine Produkte hauptsächlich in Leipzig und Umgebung. Hiermit sei er auch sehr erfolgreich und spricht den Leipzigern gleich noch ein Lob aus: „Vor Ostern hat es einen richtigen Run auf regionale Produkte gegeben.“ Ob das so weiter geht, wisse er zwar nicht, aber natürlich hoffe er es.
Auch der Wegfall der Nachfrage durch Schulspeisungen habe sich durch neue Anfragen seitens des Einzelhandels auffangen lassen. Dieser schätze seine hochqualitative Ware und so gehe eine neue Tür auf, wo eine andere zugeht. Zu dieser Qualität gehört für Dirk Barthel auch die Transparenz. Barthel bietet Führungen auf seinen Feldern und in der Schlachterei an: „Wir sind offen, wir sind präsent.“ Ob das reichen wird, um Menschen in Kurzarbeit weiter für seine regionalen Bioprodukte zu begeistern, bleibt abzuwarten.
Außerdem, so Barthel, sollten wir nicht glauben, er habe nicht auch Momente gehabt, in denen er nicht wusste, wie es weitergehen soll. „Aber wenn ich merke, hier funktioniert irgendetwas nicht, dann unternehme ich etwas dagegen, und dann versuche ich an den berühmten Knöpfen zu drehen, um das Schiff wieder ins Lot zu bringen. Ein kleines Schiff, das Schlagseite hat, bringt man bei Sturm immer wieder in Fahrt, aber einen großen Dampfer mit Schlagseite wieder hoch zu bringen, ist manchmal nicht so einfach.“ Ein starkes Plädoyer für eine krisenfeste Landwirtschaft in bäuerlicher Größenordnung.
Wie gut entspricht diese Einschätzung der Krise den Wahrnehmungen andere Betriebsformen? Ist Barthels regionale Fleischproduktion womöglich durch einen geringeren Bedarf an Arbeitskräften glimpflich davon gekommen? Und wie steht es zum Beispiel um den Gemüselandbau?
Bio ist hart erarbeitet
Auf seiner Kartoffellieferfahrt zum Leipziger Unverpacktladen „LOCKER und LOSE“ hatten wir die Gelegenheit mit Dr. Bernhard Wagner zu sprechen. Wagner ist seit 2015 Geschäftsführer der Wassergut Canitz GmbH, einer Tochter der Leipziger Wasserwerke, und bewirtschaftet eine Fläche von ca. 800 ha in den Wasserschutzgebieten zwischen Wurzen und Eilenburg. Dort werden neben Rindfleisch auch Getreide und Gemüse wie Kartoffeln, Zwiebeln, Erbsen und Bohnen biologisch für den Großhandel produziert.
Durch verbesserte und vielseitige Anbaumethoden finden auf seinen Feldern unter anderem selten gewordene Arten wie Feldlerchen, Schwarzstörche, Braunkelchen, Schwarzmilane und Rebhühner wieder ein zu Hause. 2019 wurde das Wassergut außerdem vom Deutschen Landschaftspflegeverband (DVL) und der Deutschen Wildtierstiftung als rotmilanfreundliches Agrarunternehmen ausgezeichnet.
Durch die Corona-Pandemie wird allerdings eine Sache schwierig: Mitarbeitende zu finden. Seit 18 Jahren hat das Wassergut konstant 10-15 Mitarbeitende, die aus Polen kommen und für eine Zeit auf dem Gut wohnen. „Hier gibt es die Problematik sich ständig verändernder Rahmenbedingungen“, erklärt Wagner. „Können Sie noch per PKW einreisen oder müssen wir sie einfliegen lassen? Vor allen Dingen ist es schwer, den Menschen die Angst zu nehmen, dass sie hier möglicherweise erkranken und dann am Ende der Arbeitszeit die Krankheit mit nach Hause nehmen und noch mehr Menschen anstecken.“ Diese Ängste hält er für berechtigt. Das übergeordnete Problem allerdings liege darin, dass hier so gut wie niemand bereit wäre, diese Arbeit zu tun.
Jobanfragen über Plattformen wie „Das Land hilft“, die Vermittlungsseite des Bundeslandwirtschaftsministeriums, seien immer nur so lange vielversprechend gewesen, bis er ihnen eine Skizze dessen geschickt hat, was sie zu tun hätten. Die Arbeit ist körperlich anstrengend. Man liegt auf einem sogenannten Jäteflieger und zupft Unkraut. Die erste Woche müsse man vor allem überstehen, erzählt Wagner. Wenn dann der Muskelkater verkraftet ist, wird es leichter.
„Im Ökolandbau kann ich eben nicht mit Unkrautvernichtungsmitteln arbeiten, um beispielsweise Zwiebeln unkrautfrei zu halten. Die müssen dann einfach mit der Hand gezupft werden und das ist sehr viel Arbeit. Es ist eine harte Arbeit, aber ohne die gibt’s eben auch keine Biozwiebeln. Und die Entwicklung von geeigneten Feldrobotern für genau diese Arbeit lässt noch auf sich warten.“
Regional statt global?
Unterdessen macht Wagner seinen Betrieb und die Unterkünfte Corona-tauglich. Er erzählt von den Maßnahmen, die ergriffen wurden, um höchsten Infektionsschutz zu gewährleisten – neue Betriebsanweisungen, Quarantäne für Urlaubszurückgekehrte und gestaffelte Pausenzeiten. Besonders wichtig sind dabei die Vorkehrungsmaßnahmen in Sachen Wohnraum. Für alle Erntehelfer*innen gibt es nun fast ausnahmslos Einzelzimmer, zusätzliche Küchen- und Sanitätsräume wurden ebenfalls eingerichtet. Am Sonntag dem 10. Mai kam dann die Erleichterung, als 13 Mitarbeiterinnen in einem großen Reisebus – mit dem erforderlichen Abstand zwischen den Sitzplätzen – nach 15 Stunden Fahrt im Wassergut ankamen.
Die Ungewissheit, ob sie auch tatsächlich kommen würden, war so lange da, bis sie vor dem Verwaltungsgebäude standen, erzählt Wagner. Insgesamt ist die deutsche Landwirtschaft auf ca. 300.000 Erntehelfer*innen aus dem Ausland angewiesen. Ohne diese könnten Spargel, Erdbeeren und Co. nicht bis auf unsere Teller wandern.
Ähnlich wie Barthel betont auch Wagner die Relevanz von regionalen Wertschöpfungsketten – einer Verknüpfung von Produktion, Verarbeitung und Vertrieb mit geringen Wegen und somit geringem ökologischen Fußabdruck. „Dazu müssen wir auch die derzeitige Struktur des Lebensmitteleinzelhandels mit seinen wenigen großen Playern in Frage stellen. Wir müssen das Handwerk wiederbeleben.“ All das habe es ja vor gerade mal 30 Jahren noch gegeben. Auch das Schicksal seiner eigenen Zwiebeln sieht Wagner kritisch. Diese würden einmal quer durch die Republik gefahren, um in Netze abgepackt und anschließend wieder hier im Supermarkt verkauft zu werden: „Ein Transportwahnsinn.“
Und selbst wenn wir inzwischen Bioprodukte von konventionellen unterscheiden könnten, so komme die Biomilch aus dem Allgäu eben trotzdem mit einem CO2-Rucksack. Die Möglichkeit eine Milch aus Sachsen zu erkennen, ist nur selten gegeben, und so bleibt es weiter schwierig für Verbraucher*innen, das klimafreundlichere oder umweltschonende Produkt zu wählen.
Während des Gesprächs wird es sehr deutlich, wie kritisch Wagner dem aktuellen Ernährungssystem, aber auch den eigenen Verbesserungspotenzialen gegenübersteht. Die Verantwortung, die mit dem Wirtschaften für mehr Arten- und Trinkwasserschutz einhergeht, nimmt er sehr ernst. In Summe, sagt er, mache der Beruf aber einfach Spaß.
In Torgau, nordöstlich von Leipzig, weiden die Hennen und Hähne unseres nächsten Gesprächspartners. Oliver Barth vom gleichnamigen Biohof hat in seinem Familienbetrieb keine Probleme mit der Arbeitskraft. Seine Arbeit auf den Feldern gehe ganz normal weiter. Hier produziert Barth selbst die Futtermittel für seine Legehennen, Masthähnchen und Weihnachtsgänse, die in mobilen Ställen jede Woche auf ein neues Stück Wiese gezogen werden – ein einjähriger Zyklus, der für frisches Futter und natürlich Düngung sorgt.
Wir interviewen ihn gemeinsam mit seinem Vertriebspartner Hans-Ulrich Herdin, der Barths Produkte dienstags und freitags auf dem Markt in Leipzig an den Menschen bringt. Beiden ist die Begeisterung über ihre Zuchtmethode anzumerken. Bei dieser werden männliche Küken nicht nach der Geburt getötet, sondern ebenfalls aufgezogen und wachsen nicht im gleichen Eiltempo heran, wie in der konventionellen Haltung.
Probleme durch Covid-19 habe Barth vor allem bei der Produktionsmittelbeschaffung. Gehe an seinen Maschinen mal etwas kaputt, dauere die Lieferung oft viel länger. In der Landwirtschaft kann das fatal sein: „Jetzt ist die Zeit, in der du aufs Feld fahren musst“, erklärt Herdin. Trotzdem mache Not aber eben auch erfinderisch und so wird dann eigenhändig geschraubt und überbrückt, was geht.
Auf dem Leipziger Markt, der im März noch vorübergehend geschlossen und inzwischen auf die doppelte Fläche ausgeweitet wurde, sei die Stimmung auch weiter gut. Die Masken erschwerten körperliches Arbeiten zwar ungemein, doch dafür gebe es ein stärkeres Interesse an bäuerlichen Betrieben. „Vielleicht bleibt ja auch ein gewisser Teil der Leute, die jetzt während der Krise mehr auf den Markt gegangen sind, dabei und wir können zumindest ein paar neue Kund*innen gewinnen“, so Herdin.
Skeptisch sind beide vor allem gegenüber den Finanzhilfen, die die Landesregierung für Unternehmen bereitgestellt hat. Da diese nun in Form von Krediten kommen, seien sie mit sehr großem bürokratisch Aufwand und einer starken Kontrolle der Unternehmensfinanzen verbunden. Barth erklärt: „Für jeden Nachweis, den ich erbringe und jeden Antrag, den ich stelle, muss ich Geld investieren, wobei unklar ist, ob ich diese Hilfe dann überhaupt bekomme. Als kleines Unternehmen muss ich mir dann überlegen: Kann ich es mir überhaupt leisten einen Antrag zu stellen?“
Sie wünschen sich stattdessen Zuschüsse, für die bis zu einem gewissen Betrag kein Nachweis erforderlich ist. Ab einer gewissen Betriebsgröße könnten dann Nachweise verlangt werden. Schaue man sich die Situation bäuerlicher Landwirtschaft in Deutschland an, stelle sich die Frage nicht mehr, ob man diese Zuschüsse wirklich bräuchte.
Unter dem Begriff „Höfesterben“ wurde in den letzten Jahren die Tendenz zur Vergrößerung und Industrialisierung landwirtschaftlicher Betriebe subsummiert. Zwischen 1999 und 2016 ist die Zahl der Höfe um 42 Prozent zurückgegangen, während sich die von einem Betrieb bewirtschaftete Fläche im gleichen Zeitraum fast verdoppelt hat. Bei Masthähnchen ist dieser Trend mit einer Versechsfachung der Tiere pro Betrieb besonders stark. Oft geht dies auf Kosten der Umwelt und des Tierwohls.
Solidarische Gemeinschaft auf Abstand
Um sich solchen marktgemachten Tendenzen zu entziehen und wieder gute Produkte unter fairen Bedingungen für Mensch und Umwelt zu produzieren, haben sich in Deutschland seit den späten 1980er Jahren sogenannte Solawis etabliert. Eine solidarische Form der Landwirtschaft, bei der sich Verbraucher*innen dazu verpflichten z.B. ein Jahr lang für einen festgelegten Preis die Erzeugnisse eines Betriebs, in der Regel Gemüse, zu erhalten. Im Gegenzug gibt es Mitbestimmung über Anbaumethoden und die Sicherheit für Produzierende, nicht dem Preisdruck des Marktes ausgesetzt zu sein.
Leo Kleymann ist Gärtnerin in so einer Solawi, der Solidarischen Feldwirtschaft bei Brandis, die ihre Erzeugnisse einmal wöchentlich in Leipzig (Stünz) verteilt. Unter den vielen Arten der ca. 35 verschiedenen Kulturen, die angebaut werden, sind neben Zucchini, Tomate und Kürbis auch alte Sorten wie Haferwurzel dabei.
Die Corona-Pandemie hat das kleine Team der Solawi schnell ernst genommen – auch durch Angehörige, die zur Risikogruppe zählen, war das geboten. Zudem kam die Frage: „Was passiert eigentlich, wenn eine Person von uns krank wird, wir alle in Quarantäne müssen und niemand mehr arbeiten kann?“ Beim arbeitsintensiven ökologischen Anbau von Gemüse eine ernste Gefahr.
Dementsprechend wurde reagiert: So wenig Kontakt wie möglich, jede*r bringt das eigene Essen mit, eine hygienebeauftragte Person am Tag, wenig Gerätetausch. Auch bei der wöchentlichen Gemüseausgabe musste improvisiert werden. „Eigentlich ist das so, dass das Gemüse in Kisten liegt und die Leute sich das dann rausholen. Dabei wird auch viel gequatscht. Das ist der Punkt, an dem wir sehr viel Kontakt zu den Mitgliedern haben.“
Zunächst wurden dann Taschen vorgepackt, damit keine Staus entstehen und man sich das eigene Gemüse einfach nehmen und gehen konnte. Ein starker Einschnitt für die Gruppe, die normalerweise mit ihren Mitgliedern Gemeinschaftsaktionen wie Feldeinsätze zum Zwiebelstecken plant. „Eigentlich kommen da immer super viele Mitglieder und alles geht ganz fix“, erzählt Leo. Doch mehr als zwei weitere Personen lassen sie derzeit nicht aufs Feld. Auch hier soll größtmöglicher Abstand gewahrt werden.
„Es ist irgendwie ein komisches Arbeitsklima auf einmal. Eigentlich reden wir alle viel miteinander, besprechen viel persönlichen Kram. Und jetzt stehen wir immer so weit voneinander weg. Das schlägt schon auch mal auf die Stimmung.“ Ihr fehle der Austausch und das gemeinsame Essen in den Pausen, das normalerweise eine Person für alle kocht.
Aber sie weiß auch, dass es Menschen gibt, denen es schlechter geht. Vor allem gehe ihr durch den Kopf, wie dieses Virus es geschafft hat, Grenzen zu schließen. „Solidarität liegt in aller Munde, aber selten werden dabei die Schwächsten in der Gesellschaft mitgedacht.“
Menschen die häusliche Gewalt erfahren, Schutzsuchende, in Lagern in Deutschland und an den EU-Außengrenzen oder jene die nicht zu Hause bleiben können, weil sie keines haben. Die Sorgen anderer Länder, die Klimakrise oder die Lage Geflüchteter auf den griechischen Inseln haben in den letzten Monaten nur wenig Aufmerksamkeit erhalten.
Im Hinblick auf die Landwirtschaft, meint Leo, sollten wir auch allgemeiner fragen: Wie betrifft unser Handeln eigentlich die Länder des globalen Südens?“ Diese sind von Finanz- und Wirtschaftskrisen in der Regel am härtesten betroffen, obwohl die Auslöser der Krisen oft in den westlichen Industrienationen liegen. „Mit weltweiten Lieferketten kommen eben auch weltweite Implikationen unseres Handelns. Wie gehen wir privat und politisch mit dieser Verantwortung um?“
Corona und der Klimawandel
Undine Lehmann ist Inhaberin des Familienbetriebs Erdbeerland Böhlitz-Ehrenberg und bewirtschaftet 12 Hektar Erdbeerfelder zur Ernte im Leipziger Westen. Die Erdbeeren bietet sie zum Direktkauf bzw. zum Selberpflücken an. Das zweite Standbein sind ihre Hofläden, in denen sie neben den eigenen Erdbeeren das Obst und Gemüse anderer, vor allem regionaler Anbieter*innen, verkauft. „Im Winter sind dabei zum Beispiel viele regionale Apfelsorten“, schwärmt sie.
Normalerweise hat Frau Lehmann vier festangestellte und drei teilzeitangestellte Mitarbeitende, in der Saison noch etwa 25 Leute zusätzlich. Dieses Jahr hatte sie keinerlei Probleme, Personal zu finden. Auf ausländische Pflücker*innen ist sie nicht angewiesen. „Die Leute haben sich von sich aus bei mir gemeldet und ihre Hilfe angeboten.“ Dafür sind vor allem die Hofläden ein gutes Forum. In denen hat Undine Lehmann in den letzten Wochen einen verstärkten Zulauf registriert. „Während des Lockdowns war das für viele schon ein richtiges Erlebnis, im Hofladen einzukaufen. Endlich mal rauskommen und was erleben.“
Um Mitarbeitende und Kund*innen vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus zu schützen, stehen in den Hofläden von Undine Lehmann nun Plexiglasscheiben im Verkaufsbereich. Die Oberflächen werden regelmäßig desinfiziert. Abstandsregeln müssen eingehalten werden. Dafür sorgen unter anderem mechanische Barrieren in den Läden. Die Verkaufsräume seien aber ohnehin großzügig geschnitten. „Die Kund*innen gehen von ganz alleine auf Abstand.“, so die Erfahrung von Undine Lehmann. Auch auf den Feldern ist genug Platz für alle Pflücker*innen. Wenn die Erdbeeren reif sind. Falls sie reifen werden. Dafür müsste noch einiges an Regen fallen. Denn „es ist viel zu trocken“, seufzt Undine Lehmann. Viel mehr als die Corona-Pandemie bereitet ihr der Klimawandel Sorgen. „Wir spüren den Klimawandel, können ihn aber nicht beeinflussen. Wir wissen nicht, wie wir reagieren sollen.“ So blickt Undine Lehmann mit gemischten Gefühlen in die Zukunft. In einigen Jahren wird sie in den Ruhestand gehen. „Entweder findet sich dann noch jemand, der den Laden übernimmt, oder ich schließe hier die Tür zu.“
Mit diesen Gedanken ist Undine Lehmann nicht allein. Denn eine Sache bereitet ausnahmslos allen Befragten Bauchschmerzen: die Trockenheit. „Es hat ja jetzt schon wieder den ganzen April nicht geregnet und da fragen wir uns: Was machen wir eigentlich, wenn unsere Grundwasserschicht abgepumpt ist?“ Für Leo und die Solawi steht fest: „Das wird so bleiben. Das ist dieses Jahr so und das wird nächstes Jahr so sein und übernächstes.“ Der Klimawandel hinterlässt auch in Deutschland seine Spuren und so fragen sie sich, was durch neue Kulturen, andere Fruchtkombinationen, Windschutz oder Schattenpflanzung getan werden kann, um weiterhin nachhaltig regionale Nahrungsmittel zu produzieren.
In kleinen, vielseitigen Betrieben scheint diese Anpassung möglich. Wie das kleine Schiff mit Schlagseite, das trotz Sturm wieder in Fahrt kommt, scheint auch die Solidarische Feldwirtschaft noch den ein oder anderen Trick im Petto zu haben.
Auch Oliver Barth will in den nächsten Jahren mit anderen Kulturen auf die Trockenheit reagieren. Im Größeren allerdings, müssten wir uns fragen, wie viel Sinn es hat Lebensmittel weite Strecken über den Planeten zu fliegen oder zu fahren. Dirk Barthel wünscht sich besonders politisch mehr Rücksicht auf das Klima. Gerade bei internationalen Freihandelsabkommen und globalen Futtermittelbewegungen sollte die Frage nach dem Einfluss auf kleine Landwirt*innen und das Klima im Mittelpunkt stehen.
Um sich diesen Strukturen gegenüber nicht machtlos zu fühlen, kann eine Sache allemal helfen: Wieder mehr regional einkaufen. Die Landwirt*innen jedenfalls, da ist sich Barthel sicher, werden es den Verbraucher*innen danken und sich weiter Mühe geben, ordentliche landwirtschaftliche Produkte herzustellen.
Autor*innen: Daniela Zweynert und Sebastian Drue
Anton Schneider
Es ist schön zu sehen, wie in qualitativer Hofladen so arbeitet. Das ist sehr inspirierend. Hoffentlich kommt sowas häufiger vor.