Am 5. Juli fand unser Forum „Gutes Essen für Alle“ zum Thema „Solidarische Ernährungssysteme – Potentiale und Herausforderungen einer gemeinschaftsgetragenen (Voll-)Versorgungsökonomie“ statt.
Solidarische Ernährungssysteme
Lässt sich das Solawi-Modell auf andere Versorgungsfelder übertragen? Was sind die Voraussetzungen zur Ausweitung dieser transformativen Wirtschaftsformen in der Ernährungssbranche hin zu einer vollständigen Regionalversorgung im CSX-Modell? Und welche Rollen können Ernährungsräte dabei spielen? Diese und weitere Fragen wurden in der eineinhalbstündigen Online-Veranstaltung ausgiebig beleuchtet und besprochen.
Zu Gast waren Isabel Matthias von der Leipziger Solawi Ackerilla, Hannes Küchlin von der solidarischen Bäckerei Backhaus der Vielfalt in Freiburg und Marius Rommel von der Universität Siegen – Wissenschaftler im Projekt nascent. Alle drei hatten eine Präsentation dabei, um den rund 49 Teilnehmenden ihre Projekte vorzustellen.
Offiziell eröffnet wurde das Forum von Sabrina Gerdes, Teil der AG Solawi und Projektmanagerin bei Allmende Taucha e.V. sowie Anna Gompelmann, ebenfalls Mitglied der AG Solawi und Mitarbeiterin bei Café Chavalo eG. Über eine kurze Vorstellung des Ernährungsrates sowie der AG Solawi und einer Erläuterung des Konzepts der Solidarischen Landwirtschaften wurden die Zuhörer*innen in das Thema eingeführt.
Zusammen stark: Die Solawi Ackerilla als Teil der AG Solawi
Nach dieser kleinen Einführung wurde das Wort an Isabel Matthias von der Solawi Ackerilla übergeben. Die Solawi Ackerilla bewirtschaftet rund 15 Hektar Land in Taucha. Neben drei Ackerflächen gehört hierzu auch eine kleine Wiese. Als Ziel hat sich die Ackerilla vorgenommen, 200 Ernteanteile zu vergeben. Auf einen Ernteanteil kommen ca. 2-3 Personen, die Gemüse beziehen können.
Neben der Ackerilla gibt es sechs weitere Solawis vor den Toren der Stadt. Die hohe Solawi-Dichte im Raum Leipzig ist eine Besonderheit in Deutschland. Um ein gutes Miteinander pflegen zu können, setzen die Solawis daher auf Synergieeffekte statt auf Konkurrenz. Es wird Wissen geteilt, aber auch Gerätschaften, gemeinsame Info-Stände auf Festen betreut und gemeinsam Werbung gemacht. Die Solawis sind untereinander gut vernetzt, dabei spielt auch der Ernährungsrat und vor allem die AG Solawi eine wichtige Rolle.
Backhaus der Vielfalt: Sauerteigbrot aus dem Holzofen
Neben Solidarischen Landwirtschaften gibt es aber auch noch andere Solidar-Modelle in Deutschland. So beispielsweise die solidarische Bäckerei Backhaus der Vielfalt aus Freiburg, die Hannes Küchlin im Anschluss vorstellte. Ebenso wie bei Solawis können interessierte Menschen Mitglied in der Bäckerei werden, Brot beziehen und sich auch selbst in der Bäckerei einbringen.
Um das Konzept abzurunden, bezieht die Bäckerei ihr Getreide von einer Solawi und kalkuliert deren Bedürfnisse mit in der Kostenplanung ein. Der Mitgliedsbeitrag wird in einer Bietrunde festgelegt, eine Mitgliedschaft gilt für ein Jahr. Der Vorteil eines solchen Systems ist vielfältig: Neben dem großen Spielraum für die Bäcker*innen, ist die Bäckerei auch ein Lern- und Begegnungsort. Hinzu kommt, dass durch das „Backen auf Bestellung“ kein Überschuss entsteht. Aktuell zählt das Backhaus der Vielfalt im fünften Jahr 175 Mitglieder, bäckt 180kg Brot in der Woche und beschäftigt drei Bäcker*innen.
Transformation oder Niesche?
Der letzte Impuls an diesem Abend wurde von Marius Rommel gegeben, der im Projekt nascent arbeitet. An den Beispielen von Solawis und Ernährungsräten machte er deutlich, wie es möglich werden kann transformative Wirtschaftsformen zu unterstützen und zu etablieren.
Es gibt bereits einige CSX-Unternehmen (engl. community supportet X), die gemeinschaftsgetragen sind. So haben sich neben Solawis inzwischen solidarische Imkereien, Vinzerein und Käserein gegründet. Ernährungsräten, Ökomodellregionen oder Bürgeraktiengesellschaften spielen bei der Etablierung dieser solidarischen Versorgungssysteme eine bedeutende Rolle, weshalb sie auch als Systemdienstleister bezeichnet werden können. Sie können auf politischer Ebene beraten und informieren, um strukturelle Förderungen zu bewirken, aber auch gezielt bei Gründungen oder auch Umstellungen hin zu eben jenem solidarischen System unterstützen.
Resüme
Das Forum „Gutes Essen für Alle“ hat gezeigt, dass nicht nur in Leipzig, sondern auch überregional Interesse an solidarischen Ernährungssystemen besteht und diese vielerorts bereits gelebt werden. Der abschließende Austausch hat deutlich gemacht, dass Leipzig mit seiner Vielfalt an Solidarischen Landwirtschaften eine vorreitende Rolle einnimmt und die Vision einer regionalen Selbstversorgung greifbar macht. Gleichwohl wurde bemerkt, dass die regionalen Versorgungsstrukturen aktuell noch ausbaufähig sind. Am Ende des Forums steht der Wunsch im Raum, Kommunen und die Politik für das CSX-Modell begeistern zu können, um transformative Wirtschaftsformen mehr Gehör zu verschaffen.
Präsentationen zum Download
Diese Veranstaltung wurde gefördert durch die Stadt Leipzig, Amt für Umweltschutz.